Herausforderungen bei der Bewertung von Risiken
Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV spielt eine zentrale Rolle bei der Absicherung von Exportgeschäften gegen wirtschaftliche und politische Zahlungsausfälle. Die Aufgabe der SERV-Expertinnen und -Experten der Kreditanalyse besteht darin, Risiken fundiert zu bewerten, ohne die finanzielle Stabilität und Eigenwirtschaftlichkeit der Exportkreditversicherung zu gefährden.
In einem zunehmend volatilen globalen Umfeld gewinnt ein umsichtiges und konsequentes Risikomanagement an Bedeutung – nicht nur zur Absicherung einzelner Exportgeschäfte, sondern auch zur Erfüllung des übergeordneten Förderauftrages: die Unterstützung des Schweizer Aussenhandels durch gezielte Absicherung nicht-marktfähiger Risiken. Thomas Schudel leitet bei der SERV die Abteilung Risikoanalyse und Nachhaltigkeit. Im Gespräch hat er das Thema Kreditanalyse in der SERV beleuchtet und erläuterte die Herausforderungen, die im Kontext der Risikobewertung entstehen.
Kreditrisiko – Die Kunst der richtigen Einschätzung
Die Einschätzung der Bonität ausländischer Käufer bildet das Fundament jeder Risikoübernahme durch die SERV. Dabei gilt es, eine ausgewogene Bewertung vorzunehmen. Einerseits muss die Prämienhöhe aller Absicherungen ausreichend sein, um alle Ausfälle und Kosten der SERV zu decken – andererseits dürfen zu hohe Prämien potenziell tragfähige und förderungswürdige Geschäfte nicht verhindern.
Da die SERV nach dem Grundsatz der Eigenwirtschaftlichkeit arbeitet, dürfen Risiken weder unter- noch überbewertet werden. Ist die Einschätzung der Risiken grundsätzlich zu optimistisch, könnten zu tiefe Prämien die finanzielle Basis der SERV gefährden. Eine zu vorsichtige Einstufung hingegen kann dazu führen, dass die Prämien zu hoch sind und das Exportgeschäft im schlimmsten Fall deswegen nicht zustande kommt.
Besonders herausfordernd ist die Risikobewertung in Ländern mit politischer oder wirtschaftlicher Instabilität. Diese Märkte werden von privaten Kreditversicherungen oft gemieden und die SERV ist häufig die einzige verbleibende Anbieterin von Absicherungsmöglichkeiten. Die SERV deckt nicht-marktfähige Risiken und agiert subsidiär zum privaten Versicherungsmarkt.
«Unternehmen beantragen in der Regel dann eine Deckung bei der SERV, wenn sie selbst ein erhöhtes Risiko erkennen. Daher konzentrieren sich im Portfolio der SERV tendenziell besonders anspruchsvolle Fälle», betont der Risiko-Experte Thomas Schudel und unterstreicht, dass diese spezifische Problematik eine besonders sorgfältige Prüfung der Projekte und der Zahlungsfähigkeit der Schuldner durch die SERV erfordere.
Länderrisiko – Bewertung politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
«Ein weiterer zentraler Bestandteil der Risikobeurteilung ist die Einschätzung der Länderrisiken, das ist quasi die Basis aller Analysen», unterstreicht Thomas Schudel. Politische Unruhen, wirtschaftliche Instabilität, Kapitalverkehrskontrollen oder internationale Sanktionen können auch bei grundsätzlich bonitätsstarken Käufern zu Zahlungsausfällen führen.
Die SERV erarbeitet ihre Länderrisikoeinschätzung anhand eines breiten Spektrums von makroökonomischen Indikatoren, Zahlungserfahrungen und qualitativen Analysen. Die Länderkategorisierung – von vernachlässigbarem bis stark erhöhtem Risiko – dient als Grundlage für die Festlegung von Deckungsmöglichkeiten, Prämienhöhen und allfälligen Einschränkungen.
Diese Einschätzungen werden regelmässig überprüft und angepasst, um aktuellen geopolitischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. In Kombination mit der individuellen Analyse jedes Exportgeschäfts ermöglicht die Länderrisikobewertung eine differenzierte und adäquate Risikobewertung der Exportgeschäfte – auch in wirtschaftlich oder politisch schwierigen Zielmärkten.
Portfoliomanagement – Risikobegrenzung entlang des Marktumfeldes
Die Zusammensetzung des Portfolios der SERV folgt weitgehend der Struktur des Schweizer Exportmarktes. Die Geschäftstätigkeit der SERV folgt der Schweizer Exportwirtschaft. Damit ergibt sich die Portfoliostruktur als Resultat der realwirtschaftlichen Gegebenheiten.
Diese Marktorientierung führt in der Praxis zu einem Fokus auf bestimmte Länder, Regionen oder Branchen. «Solche Risikokonzentrationen bergen das Gefahrenpotenzial, dass externe Schocks – wie politische Krisen, wirtschaftliche Einbrüche oder Naturkatastrophen – sich überproportional auf das Gesamtportfolio auswirken können», konkretisiert der Risiko-Experte.
Zur Begrenzung dieser Risiken arbeitet die SERV mit internen Schwellenwerten. Diese definieren, bis zu welchem Umfang Engagements in bestimmten Ländern und bei einzelnen Schuldnern in etwa eingegangen werden sollen.
Das Risikomanagement erlaubt es, potenzielle Risikoballungen frühzeitig zu erkennen. Bei Bedarf werden Massnahmen getroffen – etwa in Form restriktiverer Deckungspolitiken oder temporärer Zeichnungsbeschränkungen.
Risikomanagement – Nachhaltige Exportförderung durch fundierte Analysen
«Unsere Kreditanalyse ist geprägt von der kontinuierlichen Suche nach der richtigen Balance», stellt Thomas Schudel abschliessend fest. «Wir müssen die Risiken realistisch einschätzen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exportwirtschaft unterstützen.»
Diese Gratwanderung erfordert fundierte Expertise und methodische Sorgfalt. Nur durch gewissenhafte Einzelprüfungen, eine konsistente Länderrisikopolitik und die Steuerung des Portfolios kann die SERV ihren Auftrag langfristig und nachhaltig erfüllen.
Ein wirkungsvolles Risikomanagement trägt nicht nur zur Stabilität der SERV bei, sondern stärkt den Schweizer Exportstandort insgesamt. Gerade in wirtschaftlich und politisch herausfordernden Zeiten leistet die SERV damit einen bedeutenden Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen.
