Interview zur erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen den Exportkreditversicherungen SERV und Atradius DSB
Das Autobahnprojekt Nakkaş–Başakşehir in der Türkei brachte die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV und die niederländische Exportkreditversicherung Atradius Dutch State Business zusammen. Im Doppel-Interview erzählen uns Vira Tsymbalyuk (SERV) und Alexander Otten (Atradius DSB), wie die Zusammenarbeit verlief und was sie daraus für die Zukunft mitnehmen.
Können Sie uns einen kurzen Überblick über das Autobahnprojekt in der Türkei geben?
Vira Tsymbalyuk: Die Strecke Nakkaş–Başakşehir ist der letzte Bauabschnitt einer Autobahn, die wichtige Industrie- und Logistikzentren im europäischen Teil Istanbuls verbindet. Ziel ist es, den Transitverkehr umzuleiten und damit die Umwelt- sowie Lärmbelastung im städtischen Raum zu reduzieren.
Und wo kamen Sie als Exportrisikoversicherungen ins Spiel?
Vira Tsymbalyuk: Die SERV kam über das Schweizer Infrastrukturunternehmen Heitkamp Construction Swiss ins Projekt. Ein wesentlicher Teil des Auftrags von Heitkamp bestand darin, spezifische Baumaterialien und technisches Equipment zu beschaffen. Die SERV unterstützte diese Exportleistungen.
Alexander Otten: Wir wurden von Ballast Nedam International Projects kontaktiert. Dieses niederländische Unternehmen führt weltweit grosse und komplexe Bauprojekte durch, oft unter herausfordernden Bedingungen. Ballast Nedam war in das Autobahnprojekt involviert, und da wir alle niederländischen Exporteure unterstützen, kamen auch wir dazu.
Welche Hauptrisiken haben Sie im Vorfeld identifiziert? Gab es spezifische Herausforderungen, die sich aus dem Projektstandort Türkei ergaben?
Alexander Otten: Das Projekt für eine Autobahn mitten in der bevölkerungsreichsten Stadt Europas brachte mehrere Umweltrisiken und soziale Herausforderungen mit sich.
Vira Tsymbalyuk: Genau. Um die Einhaltung internationaler Standards zu garantieren, wurden die Bauarbeiten im Oktober 2022 unterbrochen und die Probleme mit Blick auf mögliche Umsiedlungen und Enteignungen in die Hand genommen. Anfang 2024 konnten die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Zusätzliche Komplexität entstand durch die türkische Wirtschaft. Die hohe Inflation und die Volatilität der Märkte beeinflussten sowohl die Bauarbeiten als auch die Finanzierung.
Alexander Otten: Letzten Endes konnten wir diese Herausforderungen aber alle meistern, auch dank der Zusammenarbeit mit der SERV.
Welche Leistungen haben Sie in diesem Projekt erbracht? Wie haben Sie sich dabei ergänzt?
Vira Tsymbalyuk: Atradius sicherte eine Bankengruppe ab, die das Projekt mit einem Kredit von rund 200 Millionen Euro unterstützte. Wir steuerten eine Käuferkreditversicherung für rund 240 Millionen Euro bei. Die Hälfte davon war durch die polnische Exportkreditversicherung KUKE rückversichert. Die Leistungen von Atradius und der SERV ergänzten sich, indem wir unterschiedliche Kreditgebende absicherten, die sich am Projekt beteiligten.
Wie verlief die Zusammenarbeit zwischen den Versicherungen, Exportunternehmen, Banken und lokalen Partnerinnen und Partnern?
Vira Tsymbalyuk: Zu Beginn war die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Kreditgebenden, Exportkreditversicherungen und Sponsorinnen und Sponsoren herausfordernd. Es brauchte eine Koordinationsstelle, die Banken und Versicherungen mit Beraterinnen und Sponsoren an einen Tisch brachte. Als diese Stelle definiert war, verbesserte sich die Kommunikation. Im Endeffekt profitierte das Projekt von der Vielfalt der Kreditgebenden und ihrer Expertise.
Und wie war die Zusammenarbeit zwischen Atradius DSB und der SERV?
Alexander Otten: Die Zusammenarbeit zwischen Atradius DSB und der SERV lief sehr gut und war entscheidend für den Erfolg dieses Projektes. Wir haben bei wichtigen Fragen stets eine gemeinsame Position definiert. Dadurch konnten wir sicherstellen, dass die Anliegen der Exportkreditversicherungen im Projekt gehört wurden.
Was nehmen Sie aus diesem Projekt für die Zukunft mit?
Alexander Otten: Ich nehme mit, dass die Gespräche zwischen Geldgebenden so früh wie möglich beginnen sollten. Wichtig ist auch, dass es in solchen Projekten eine spezialisierte Finanzberatung braucht, die alle Exportkreditversicherungen mit Informationen versorgt und berät.
Vira Tsymbalyuk: Geopolitische Unsicherheiten, nationale Interessen und Lieferkettenunterbrüche beeinträchtigen internationale Infrastrukturprojekte zunehmend. Aber wenn wir als Exportkreditversicherungen zusammenarbeiten, können wir die Risiken stemmen. Die Zusammenarbeit mit Atradius machte uns stärker, und wir freuen uns auf weitere gemeinsame Projekte in der Zukunft.
Im Gespräch mit
Vira Tsymbalyuk – SERV
Vira Tsymbalyuk ist als Senior Underwriter im Team Projektfinanzierung & Infrastruktur der SERV tätig. Ihr Fokus liegt auf Infrastrukturtransaktionen, unter anderem für Strasse, Schiene oder Energieversorgung.
Alexander Otten – Atradius DSB
Alexander Otten ist Mitglied des Projektfinanzierungsteams von Atradius DSB, der niederländischen Exportkreditversicherung. Er war bereits in diverse Projektfinanzierungsgeschäfte in unterschiedlichen Branchen involviert.
